Die Zeiten ändern sich

von Martin Pfauth

Stellungnahme zum Haushalt 2022

The wind of change –
oder frei übersetzt: Die Zeiten ändern sich

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Züfle, meine Damen und Herren von der Stadtverwaltung und vom Gemeinderat, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich bedanke mich im Namen der Sozialen Bürgervereinigung bei Ihnen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit im abgelaufenen Jahr und für die Erstellung des Haushaltsplanentwurfs 2022.

Die Zeiten ändern sich! Eine neue Regierung ist im Amt, die keine Zeit zum Luftholen und sich einzuarbeiten hat. Im Osten gärt es an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine – wer weiß wo das noch hinführt. Der Klimawandel ist immer deutlicher zu spüren, Flüchtlinge aus der ganzen Welt strömen in Richtung Europa. Die Welt und auch unsere Wirtschaft ächzen immer noch unter der Corona-Pandemie. Die Digitalisierung stellt uns vor immer neue Herausforderungen.
Die Wirtschaft befindet sich in einer nie gekannten Transformation. Sie muss die Energiewende meistern, die neue Mobilität umsetzen, die Digitalisierung und die Globalisierung im Auge behalten, soll möglichst viele Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und dabei auch noch Geld verdienen. Wenn das nicht klappt, ist unser Wohlstand und damit auch unser Sozialstaat gefährdet. Denn mit leeren Kassen kann man auch nichts verteilen, das trifft dann alle.
Hier kann jeder selbst entscheiden: Mache ich mit und bringe mich ein, oder soll alles bleiben wie es ist, denn schlechter wird es von alleine.
Das gilt übrigens auch für die Überwindung der Pandemie: Man kann abwarten, ob sich die anderen impfen lassen oder sich selbst impfen lassen und so seinen Teil dazu beitragen, das nennt man dann Solidarität und Verantwortung!

Nun zu unserem eigenen Haushalt:

Entgegen den Erwartungen sind unsere Einnahmen trotz Corona im letzten Jahr nicht eingebrochen – gut so, denn es stehen auch immense Ausgaben im kommenden Haushaltsjahr und den Folgejahren an. Allein in 2022 sind über 10 Mio. Euro an Investitionen geplant und auch notwendig.
Dabei sind wir mit dem „Strategisches Entwicklungs-Konzept 2025 bzw. 2030“ und unserem Modernisierungskonzept sehr gut aufgestellt. Wir tun gut daran, diesem roten Faden zu folgen und die Konzepte laufend entsprechend anzupassen und weiterzuentwickeln.

So können im laufenden Haushaltsjahr entsprechend neue Aufgaben angegangen werden.
In diesem Sinne freuen wir uns auf den Baubeginn der neuen Turnhalle an der Limburgschule und die Sanierung der Ortsdurchfahrt in Hepsisau, die endlich umgesetzt werden kann.
Im Entwicklungskonzept ist u.a. auch die Digitalisierung geregelt, hier soll mit dem weiteren Breitbandausbau und dem Bau von PC-Räumen im Bildungszentrum Wühle ein weiterer Baustein abgearbeitet werden.
Der Wohnmobilstellplatz in der Kalixtenbergstraße wird sehr gut angenommen und soll erweitert werden, die Skateranlage beim Tennisplatz ist in die Jahre gekommen, hier ist eine Sanierung bzw. eine Erneuerung vorgesehen.
Der Bebauungsplan für das Wohngebiet Halde 3 in Hepsisau befindet sich auf der Zielgeraden und die Obstanlagen in Hepsisau sollen ökologisch aufgewertet werden.
Die SBV unterstützt diese Maßnahmen und hofft auf eine zügige Umsetzung.

Ein großes aktuelles Thema sind die Angestellten der Stadt. Sowohl in der Verwaltung wie auch im Bereich der Kinderbetreuung, beim Bauhof, in der Bücherei usw. brauchen wir laufend neue Mitarbeiter, bzw. müssen wir versuchen, die angestellten Mitarbeiter zu halten und zu motivieren. Dabei ist es nicht alleine damit getan, die Gehälter zu erhöhen, die 39-Stunden-Woche einzuführen oder Job-Räder anzubieten. Mindestens ebenso wichtig ist eine moderne, wertschätzende Personalführung, die auf Ansprechbarkeit setzt, jedem Mitarbeiter auch individuelle Akzente ermöglicht und die Eigeninitiative fördert und anerkennt.
Die Konkurrenz ist groß, man braucht nur die Stellenanzeigen in den Zeitungen anzusehen. Um die Identifikation mit dem Arbeitgeber zu stärken und neue Mitarbeiter zu gewinnen, wollen wir nun, mit externer Unterstützung, das Erscheinungsbild der Stadt Weilheim auffrischen. Die im Herbst dem Gemeinderat vorgestellte Präsentation dazu war sehr ansprechend. Dieser Weg wird von unserer Seite unterstützt, auch wenn wir dabei ungewohnte Maßnahmen ergreifen müssen. Wichtig ist uns dabei, dass auch in die Ausbildung investiert wird, denn nur wenn alle (Kommunen wie auch Privatwirtschaft) genügend Fachkräfte ausbilden, gibt es später eine Chance, die vorhandenen Stellen zu besetzen!

Ein weiteres großes Thema ist die Kinderbetreuung. Hier waren wir uns sicher, mit dem Neubau des Kindergarten Schellingstraße gut aufgestellt zu sein, aber weit gefehlt. Aufgrund einer höheren Geburtenrate, von Zuzügen, einem anspruchsvollen Betreuungsschlüssel und dem gesetzlich vorgegebenen Anrecht auf einen Betreuungsplatz, fehlen uns erneut Räume und pädagogisches Fachpersonal, sowohl für weitere U3- wie auch Ü3-Gruppen. Hier hat die Verwaltung schnell reagiert und ein Konzept zur Sanierung und Erweiterung um je einen Gruppenraum am Kindergarten Egelsberg und am Kindergarten Öhrich erstellt. Uns ist dabei wichtig, dass im Zuge der Sanierung auch jeweils eine PV-Anlage mit eingeplant wird. Wie auch bei den Schulen, braucht der Kindergarten den Strom genau dann, wenn die Sonne scheint. Außerdem soll der Neubau zweier Jurten-Kindergärten in Weilheim und in Hepsisau für ca. 1,4 Mio. Euro den Bedarf schnell und langfristig sicherstellen. Zumal die bisherigen Räumlichkeiten in Hepsisau in einem schlechten baulichen Zustand sind und so in absehbarer Zeit nicht mehr genutzt werden können. Wir erwarten eine zügige Umsetzung der geplanten Baumaßnahmen. Die Zeit drängt, denn jetzt schon stehen Kinder auf der Warteliste. Ob und wie das dann mit dem notwendigen Personal klappt, darauf sind wir allerdings gespannt.
Die nächste personelle und auch räumliche Herausforderung, mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung an der Grundschule, hat sich schon für das Jahr 2026 angekündigt. Dafür müssen schnell Lösungen gesucht werden, damit die Regelung entsprechend umgesetzt werden kann.

Auch der Verkehr in Weilheim beschäftigt uns immer wieder. Hier ist im nächsten Haushaltsjahr die Erneuerung von weiteren Bushaltestellen und Fußgängerüberwegen geplant. Außerdem soll, gemeinsam mit den Bürgern, ein Verkehrs- und Mobilitätskonzept erarbeitet werden – vom Individualverkehr über den ÖPNV, z.B. die Einführung eines Stadttickets, vom motorisierten Verkehr zum Fuß- und Radverkehr, vom Tempo 30 bis zur Fußgängerzone. Auch der überörtliche Verkehr, wie eine Schienenanbindung Weilheims oder ein Tempolimit auf der Autobahn, muss betrachtet werden - Ergebnis offen. Wir hoffen auf eine rege Beteiligung der Bürger, denn letztendlich wird es ohne eine Verhaltens- und Bewusstseinsänderung der Verkehrsteilnehmer nicht gehen und dafür brauchen die Verwaltung, der Gemeinderat und die Bürger einen langen Atem.

Ein großes Ärgernis sind die Standorte der Altglas-Container und Altkleider-Container in Weilheim. Manche Zeitgenossen entsorgen hier ihren kompletten Müll bzw. werfen ihr Altglas oder sonstige Abfälle einfach neben die Container. So ist das nicht gedacht und so kann das auf Dauer nicht bleiben. Wir schlagen daher vor, dass die zuständigen Entsorgungsfirmen dazu verpflichtet werden, die Container öfter abzuholen bzw. zu leeren. Außerdem bitten wir die Verwaltung zu prüfen, ob mehrere Containerstandorte zusammengefasst werden können, so dass evtl. ein Bauzaun darum gestellt werden und das Areal entweder mit einer Kamera oder, bei reduzierten Zugangszeiten, zumindest zeitweise durch Personal überwacht werden kann.

Der Klimaveränderung geschuldet, sind weitere Maßnahmen, wie die Planung eines Regenrückhaltebeckens im Bereich der Wermeltswiesen. Bereits seit einigen Jahren gibt es dort bei Starkregen immer wieder vollgelaufene Keller. Leider sieht es nicht so aus, dass die Unwetter und Starkregenereignisse weniger werden, daher muss die Planung dann auch dringend umgesetzt werden. Die Anschaffung eines Notstromaggregats für das Rathaus und die Aktivierung von 4 Sirenenstandorten zur Warnung der Bevölkerung halten wir aufgrund der Entwicklung ebenfalls für sinnvoll.

Hier kommt auch unsere Feuerwehr ins Spiel. Es stehen nicht nur Ersatzbeschaffungen an, wie der aktuell ausgeschriebene GW-L-2 (Gerätewagen Logistik), der die alten Fahrzeuge LF 8 (34 Jahre) und SW 1000 (29 Jahre) ablösen soll, sondern es muss auch die sonstige Ausrüstung den neuen Anforderungen angepasst werden, siehe die künftigen Einsätze im Bereich der Schnellbahntrasse.
Das alte Feuerwehrmagazin selbst ist in die Jahre gekommen und genügt den aktuellen Ansprüchen nicht mehr. Die Planung einer Sanierung bzw. eines Neubaus steht an und darf nicht auf die lange Bank geschoben werden, zumal wir unsere Feuerwehr heute mehr denn je brauchen und die dort geleistete ehrenamtliche Arbeit nicht hoch genug schätzen können.

Das geplante und von vielen herbeigesehnte Gewerbegebiet Rosenloh (siehe auch die Umfrage zum Strategischen Entwicklungskonzept 2025) beschäftigt seit einiger Zeit den Rat und die Verwaltung. Neben ca. 10 ha Gewerbeflächen für unsere Weilheimer Firmen, soll auf weiteren ca. 15 ha Platz für ein neues innovatives Unternehmen geschaffen werden.
In einer neuen Form der Bürgerbeteiligung wurden ca. 2000 Bürger angeschrieben und zum Mitmachen eingeladen. Aus den Rückantworten wurden im Losverfahren ca. 25 nach Alter, Geschlecht und Wohnlage repräsentative Bürger gezogen, die in einer Bürgerwerkstatt aktiv die unterschiedlichen und unvoreingenommenen Interessen aus der Bürgerschaft mit einbringen können. Nach einer differenzierten und abwägenden Betrachtung des Vorhabens, soll daraus ein Gutachten hervorgehen, das den Gemeinderat in seiner Beschlussfassung unterstützt.
Der große Vorteil dieser Beteiligung gegenüber einem Bürgerentscheid ist, dass die Teilnehmer in Alter, Geschlecht und Wohnort die Bevölkerung Weilheims repräsentativ abbilden. Aus der Vergangenheit weiß man, dass bei Wahlen und Bürgerentscheiden leider die jungen Mitbürger, um deren Zukunft es geht, sowie Frauen und Menschen aus schwächeren sozialen Schichten sich nicht so zahlreich beteiligen und daher unterrepräsentiert sind.
Und wichtig: So ist eine differenzierte, abwägende Betrachtung möglich und keine einfache schwarz/weiß-Entscheidung, denn das würde der Sache nicht gerecht!
Bereits im Vorfeld wurden bei zwei runden Tischen mit Vertretern der Verwaltung, des Gemeinderats, der überörtlichen Behörden, vom NABU und BUND, sowie der betroffenen Firma die Ausgangslage, die verschiedenen Interessen und mögliche Lösungen beraten.
Die Gemeinderäte der SBV unterstützen diese Vorgehensweise ausdrücklich und sind der Meinung, dass mit allen diesen Kenntnissen, Vorarbeiten und Informationen eine derartige Entscheidung durch ein vom Volk gewähltes Parlament getroffen werden kann.

Wir sind jedenfalls überwiegend der Meinung, dass die geplante Ansiedlung einer Brennstoffzellenfabrik eine Chance für Weilheim darstellt und werden diese unterstützen.
Ja, der Flächenverbrauch lässt sich nicht leugnen und muss soweit wie irgend möglich reduziert werden. Aber, wenn die Ansiedlung auf der anderen Seite der Autobahn erfolgt, oder gar im Osten Deutschlands oder Europas, wird eher mehr Fläche verbraucht. Bei einer Realisierung in unserem Bereich haben wir Einfluss auf die Bauweise, auf die Umweltstandards, auf den künftigen Energieverbrauch und die Emissionen – es kann und soll eine ökologische Vorzeigefabrik entstehen.
Weilheim wäre direkt an der Transformation der Wirtschaft beteiligt und könnte sogar noch davon profitieren – durch Gewerbesteuer und Arbeitsplätze. Viele Weilheimer arbeiten „beim Daimler“ oder zumindest in Zulieferbetrieben für die Automobilindustrie. Durch die Mobilitätswende sind diese Arbeitsplätze großteils gefährdet, sie fallen im schlechtesten Fall weg oder werden verlagert bzw. völlig verändert. Wenn es nun hier die Chance auf die Schaffung von bis zu 800 Arbeitsplätzen gibt, sollten wir die nutzen, für uns und die Region.
Der Siedlungsdruck auf Weilheim wird unseres Erachtens durch die Ansiedlung im Rosenloh nicht wesentlich größer. Durch die strategisch günstige Lage zwischen Stuttgart und Ulm und zwischen Kirchheim und Göppingen ist der sowieso schon vorhanden und wenn die Ansiedlung auf der anderen Seite der Autobahn erfolgt, ist Weilheim trotzdem als Wohnort attraktiv.
Daher sollten wir die Chance ergreifen und mitmachen, die Energie- und Mobilitätswende mitgestalten und eine Veränderung ermöglichen.

Nun nochmal die Zusammenfassung der Anträge der Sozialen Bürgervereinigung:

  1. Prüfung, ob weitere Ausbildungsplätze bei der Stadt geschaffen werden können.
  2. Zügige Umsetzung der Baumaßnahmen an den Kindergärten und Erstellung der Jurten-Kindergärten in Hepsisau und in Weilheim.
  3. Im Zuge der Sanierung der Kindergärten beantragen wir, auf deren Dächern jeweils eine PV-Anlage zu installieren.
  4. Wir beantragen, dass weitere Dächer, wie z.B. der Schafstall und der Neubau der Limburgschule (entlang der Kelterstraße) mit einer PV-Anlage belegt werden, evtl. gemeinsam mit einem Partner wie der Bürgerenergiegenossenschaft Weilheim.
  5. Prüfung und Einführung eines Stadttickets für den ÖPNV gemeinsam mit Kirchheim und den umliegenden Gemeinden, wie z.B. Bissingen, Holzmaden usw.
  6. Veranlassung einer häufigeren Leerung der Glas- und Kleider-Container, Prüfung wie eine Überwachung der Containerstandorte möglich ist.
  7. Bericht an den Gemeinderat über den aktuellen Stand der Planungen und Untersuchungen zum Neubau bzw. zur Sanierung des Feuerwehrmagazins.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Martin Pfauth für die „Soziale Bürgervereinigung“

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